Citizens Jury als Verfahren für Medienvielfalt

In Nordrhein-Westfalen wird eine neues Landesmediengesetz beraten. Ein besonderer Punkt darin: die „Medienversammlung“, zu der im Gesetzentwurf nur ausgeführt ist:

„Die Medienversammlung initiiert und fördert den Diskurs zwischen den Mediennutzerinnen und Mediennutzern und den Akteuren der Medienbranche unter Einbeziehung der Wissenschaft und der Politik über den Stand und die Entwicklung der Medien in Nordrhein-Westfalen. Das Nähere regelt die LfM durch Satzung.“

Timo Rieg hat statt der üblichen Delegation von Funktionären als Medienversammlung eine Citizens‘ Jury vorgeschlagen: zufällig ausgeloste Bürger (weil: wer ist schon kein Mediennutzer?), bei jedem Zusammentreffen neue. Würde natürlich ein paar Mark kosten. 

Zum kurzen Vorschlag hier: Bürger durch Citizens‘ Jury einbinden – Zufallsauslosung statt Lobbyisten

Youth Citizens‘ Jury

Youth Citizens Jurys sind Planungszellen, deren ausgeloste Teilnehmer allesamt Jugendliche sind. Bislang gab es in NRW zwei „Jugendforen“ nach dem Verfahren „Citizens‘ Jury“: im Sommer 2009 und im Dezember 2010. Diese sind umfangreich dokumentiert und evaluiert worden. Dabei hat sich gezeigt, dass Jugendliche sehr gut mit dem recht starren Verfahren zurecht kommen, die Ergebnisse valide sind und am Ende alle Teilnehmer die „Youth Citizens Jury“ positiv bewertet haben. Folgende Dokumente sind dazu verfügbar:

Grundsätzliches:
Jugendpartizipation mit dem Verfahren Citizens‘ Jury (Aufsatz in „deutsche jugend“ 2007, 55. Jg., S. 483-491, der die Idee vorstellt, noch vor der Durchführung der ersten Youth Citizens Jury)
Evaluationsbericht (Nexus Institut Berlin) und Artikel dazu (pdf). Weitere Aufsätze dazu in unserer Literaturliste.

Die Beschreibung des Verfahrens finden Sie hier.

Youth Citizens‘ Jury 2009:
Ergebnisse und Pressespiegel bei der LJV
Fernsehbericht mit Studiogespräch

Youth Citizens‘ Jury 2010:
Ergebnisse (Jugendgutachten) als pdf
FAQ für Jurorinnen und Juroren (Teilnehmer)
Fernsehbericht (kurz)

Eine Youth Citizens Jury wird streng nach den Verfahrensregeln der Citizens Jury/ Planungszelle durchgeführt. Dazu gehört bekanntermaßen die Zufallsauswahl der Teilnehmer_innen. Daher ist das Beteiligungsverfahren „Jugendplanungszelle“ der Friedrich-Ebert-Stiftung etwas anderes, da hier ganze Schulklassen beraten und daher die Gespräche ganz anders verlaufen als bei wild zusammengewürfelten Jugendlichen, die sich NICHT kennen.

 

Internationale Links (Young Citizens Jurys, meist aber mit älteren Teilnehmern):
Finnland: Youth Jury 2010
Australien

Jugendplanungszellen der FES

Schon seit vielen Jahren führt die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) Partizipationsprojekte unter dem Namen „Jugendplanungszelle“ durch – ausführlich in der Broschüre „mitmischen! – Jugendplanungszellen“  (pdf) beschrieben.

Es ist unstrittig, dass damit Jugendbeteiligung gelingt und dass Jugendliche Mitbestimmung und Demokratie erleben. Aber die FES-Version unterscheidet sich deutlich von dem, was wissenschaftlicher und methodischer Standard bei Planungszellen bzw. Citizens‘ Jurys ist. Der Grundlegenste: es wird nicht mit zufällig ausgewählten Teilnehmern gearbeitet, sondern mit bestehenden Gruppen, z.T. können sich auch Interessenten bewerben. Oft sind diese „Jugendplanungszellen“ auch in Strukturen eingebunden, die einen eher pädagogischen Rahmen herstellen (Schule, Schulklassen). In der „echten“ Planungszelle / Citizens‘ Jury sind die Teilnehmer allerdings automatisch und ohne „Schulungen“ die Experten. Und sie müssen von einem zu bearbeitenden Thema auch gerade nicht persönlich betroffen sein.

Die beiden im Auftrag des Landesjugendamtes Westfalen bzw. der Landesjugendvertretung durchgeführten Bochumer Youth Citizens‘ Jurys / Jugendplanungszellen haben gezeigt, dass auch Jugendliche ab 14 Jahren mit dem standardisierten  Verfahren zurecht kommen und auch Planungsfragen bearbeiten, die sie nicht unmittelbar betreffen bzw. die nicht zu ihren „Lieblings-Themen“ gehören.

Es geht nicht um eine qualitative Beurteilung anderer Verfahren. Es ist nur wichtig zu wissen, dass unter dem Namen „Jugendplanungszelle“ sehr unterschiedliche Partizipationsverfahren zum Einsatz kommen.

(Timo Rieg)

Beispiele für FES-Jugendplanungszellen:
* Marl 2011 (pdf)
* Dresden 2004 (Agenda 21)

Was ist eine „Citizens‘ Jury“?

„Citizens‘ Jury“ ist ein Anfang der 70er Jahren entwickeltes Verfahren zur Politikberatung und Entscheidungsfindung. Es wurde parallel und voneinander unabhängig in Deutschland von Prof. Peter C. Dienel und in den USA von Ned Crosby entwickelt. In Deutschland ist das Verfahren unter den Namen „Planungszelle“ oder „Bürgergutachten“ bekannt (wobei „Bürgergutachten“ die Ergebnisse aus der Citizens‘ Jury bzw. Planungszelle zusammenfasst).

Peter Dienel definierte es so: „Die Planungszelle ist eine Gruppe von Bürgern, die nach einem Zufallsverfahren ausgewählt und für begrenzte Zeit von ihren arbeitstäglichen Verpflichtungen vergütet freigestellt worden sind, um, assistiert von Prozessbegleitern, Lösungen für vorgegebene, lösbare Planungsprobleme zu erarbeiten.“ (Dienel, 2002).

Die Erfahrung zeigt, dass mit diesem Instrumentarium fachlich völlig unvorbelastete Bürger erfolgreich konkrete Probleme lösen.  So wurde mit Planungszellen in den letzten Jahren  in Spanien die Autobahn Maltzaga-Urbina geplant, in Bayern der produktbezogene Verbraucherschutz konkretisiert, in Hannover der öffentliche Nahverkehr der ÜSTRA fortentwickelt. In diesem Jahr mündeten Planungszellen der EU in Berlin und Budapest als „European Citizens Consultation“ in einem Report für die zukünftige Entwicklung Europas.[i]

Eine Planungszelle läuft wie folgt ab:

Eine zufällig ausgewählte Gruppe (Jury, bei uns nun: Jugendsynode) erörtert in wechselnden Kleingruppen jeweils nach thematischer Einführung (z.B. durch Kurzreferate von Verwaltungsmitarbeitern des Landeskirchenamtes, Pro- und Contra-Positionen, Gutachten) die Einzelaspekte eines zu lösenden Problems und gibt einen Entscheidungsvorschlag.

Diese Erörterungsprozesse finden in Kleinstgruppen mit 5 Teilnehmern statt und sind jeweils auf etwa eine Stunde begrenzt. Die Voten der 5er-Gruppen werden gesammelt und von allen Teilnehmern nach Zustimmung bewertet. Auf diese Weise ergeben sich zu vielen Fragen eindeutige Voten oder wenigstens respektable Tendenzen. Am Ende des Prozesses werden die Ergebnisse gemeinsam zusammengetragen und fokussiert, die Prozessbegleiter (Moderatoren) können sie dann – gemeinsam mit einigen Juroren – in ein (Kurz-) Gutachten fassen, hier also: in Beschlussempfehlungen, Wünsche und Vorschläge an die Landessynode.

Die Planungszelle zeichnet sich durch folgendes aus:

  • Jeder Bürger kann, wenn er denn gefordert ist, sehr rational über gestellte Probleme befinden. In den politischen Planungszellen arbeiten Jugendliche ab 16 Jahre mit, nach oben gibt es keine Altersgrenze. Nach Rücksprache mit erfahrenen Planungszellen-Moderatoren sehen wir kein Problem darin, auch jüngere Jugendliche zu beteiligen.
  • Wenn ein jeder nur ein Teil des Ganzen dabei ist, sind die Chancen gut, dass jeder seine Kräfte einbringt, um zu einer guten Lösung zu kommen – und nicht, um sich persönlich, seine Interessen oder die eines Dritten zu vertreten. Aber natürlich geschieht dies vor dem individuellen Hintergrund – und deshalb braucht es an dieser Stelle für eine Jugendsynode eben eine nicht zu kleine Zahl – zufällig ausgewählter – Jugendlicher.
  • Es gibt eine professionelle Prozessbegleitung (Moderation), die sowohl das Verfahren Planungszelle gut kennt als auch in der Lage ist, die gestellten Probleme (hier also: kirchliche) zu überblicken.

Elementare Voraussetzung für das Gelingen sind demnach:

  • die Zufallsauswahl (wie bei jeder Demoskopie oder empirischen Studie)
  • das Gespräch in stets wechselnden Kleinstgruppen (5 Personen), weil nur so Einigungen erzielt werden können; diese Gespräche werden nicht moderiert. Der Erfolg und die Gruppendynamik solcher Kleinstgruppen sind in der Pädagogik und Didaktik schon lange unbestritten.

Citizens‘ Jury – Was ist das

Bei dem Verfahren Planungszelle/Citizens‘ Jury handelt es sich um ein erprobtes und in hohem Maße standardisiertes Verfahren der Bürgerbeteiligung, das seine Vorteile und Effizienz in verschiedenen Ausgangssituationen und zu unterschiedlichen Themen bereits unter Beweis gestellt hat. Dem Verfahren liegt die Idee zugrunde, dass die Bürgerinnen und Bürger bei Sachentscheidungen politisch stärker mit einbezogen werden sollten. Es ermöglicht es ihnen, Verantwortung zu übernehmen und ihrer Rolle als Souverän innerhalb der Demokratie gerecht zu werden. Weiterlesen

Bürgerbeteiligung vor dramatisch neuen Aufgaben

Die Bürgerbeteiligung steht in Deutschland vor großen, dramatisch neuen Aufgaben. Die rechtsstaatlichen Verfahren müssten nun mit dem demokratischen Beteiligungswunsch der Bürger neu und besser verbunden werden. Planungsverfahren in ihrer bisherigen Form werden hingegen den Ansprüchen einer modernen Demokratie nicht länger gerecht.
Dies ist das Ergebnis eines Symposions zahlreicher Vertreter von Forschungsinstituten, erfahrenen Moderatoren und Schlichtern, die auf eine jahrelange Praxis in der Politik der Bürgerbeteiligung zurückblicken. Sie trafen sich vom 29. bis 30. Oktober 2010 an der „Forschungsstelle Bürgerbeteiligung“ der Bergischen Universität Wuppertal. Dort wurde bereits vor über 35 Jahren von Prof. Peter C. Dienel das erfolgreiche Modell „Planungszelle“ aus der Taufe gehoben, mit dem vielfach und erfolgreich Bürger gemeinsam mit dem Sachverstand von Experten Planungsgutachten für die unterschiedlichsten Projekte formulieren.
„Der Zeitpunkt ist gekommen, um Bürgerplanung und vereinfachte Bürgerbegehren und Bürgerentscheide mit festen rechtsstaatlichen Garantien auszustatten,“ so fasste der Leiter der Forschungsstelle Bürgerbeteiligung an der Bergischen Universität, Prof. Hans J. Lietzmann, die Ergebnisse des Treffens zusammen. Die frühzeitige Einbeziehung der Kompetenz der Bürger und ihrer Sicht der Dinge müsse von Beginn an Teil der Planungsprozesse werden.
Seit einigen Jahren treffen sich die in der Bürgerpolitik engagierten Institute und diskutieren erfolgreiche Standards der Durchführung von Beteiligungsformen. Denn nur wirklich qualifizierte und erprobte Formen können den neu entstandenen Anforderungen zur Einbeziehung der Bürger in Großprojekte stand halten. In der vielfach bewährten „Planungszelle“ hatte sich gezeigt, in welch hohem Maß die Bürger im Stande sind, sich in Planungsfragen einzuarbeiten und gemeinsam mit ausgewiesenen Experten und Moderatoren qualifizierte Bürgergutachten zu verfassen.

(Pressemitteilung Uni Wuppertal, November 2010)

Siehe hierzu auch: Qualität von Bürgerbeteiligungsverfahren

Bürgerbeteiligung steht vor neuen Aufgaben (PM)

Die Bürgerbeteiligung steht in Deutschland vor großen, dramatisch neuen Aufgaben. Die rechtsstaatlichen Verfahren müssten nun mit dem demokratischen Beteiligungswunsch der Bürger neu und besser verbunden werden. Planungsverfahren in ihrer bisherigen Form werden hingegen den Ansprüchen einer modernen Demokratie nicht länger gerecht.
Dies ist das Ergebnis eines Symposions zahlreicher Vertreter von Forschungsinstituten, erfahrenen Moderatoren und Schlichtern, die auf eine jahrelange Praxis in der Politik der Bürgerbeteiligung zurückblicken. Sie trafen sich in den vergangenen Tagen an der „FORSCHUNGSSTELLE BÜRGERBETEILIGUNG“ der BERGISCHEN UNIVERSITÄT in Wuppertal. Dort wurde bereits vor über 35 Jahren das erfolgreiche Modell „Planungszelle“ aus der Taufe gehoben, mit dem vielfach und erfolgreich Bürger gemeinsam mit dem Sachverstand von Experten Planungsgutachten für die unterschiedlichsten Projekte formulieren.
„Der Zeitpunkt ist gekommen, um Bürgerplanung und vereinfachte Bürgerbegehren und Bürgerentscheide mit festen rechtsstaatlichen Garantien auszustatten,“: so fasste der Leiter der Forschungsstelle Bürgerbeteiligung an der Bergischen Universität, Prof. Hans J. Lietzmann, die Ergebnisse des Treffens zusammen. Die frühzeitige Einbeziehung der Kompetenz der Bürger und ihrer Sicht der Dinge müsse von Beginn an Teil der Planungsprozesse werden.
Seit einigen Jahren treffen sich die in der Bürgerpolitik engagierten Institute und diskutieren erfolgreiche Standards der Durchführung von Beteiligungsformen. Denn nur wirklich qualifizierte und erprobte Formen können den neu entstandenen Anforderungen zur Einbeziehung der Bürger in Großprojekte stand halten. In der vielfach bewährten „Planungszelle“ hatte sich gezeigt, in welch hohem Maß die Bürger im Stande sind, sich in Planungsfragen einzuarbeiten und gemeinsam mit ausgewiesenen Experten und Moderatoren qualifizierte Bürgergutachten zu verfassen.

(Pressemitteilung von  Univ.Prof. Dr. Hans J. Lietzmann)

Politik zufrieden mit Citizens‘ Jury

In Berlin hatte der Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement des Bundestags zu einer Auswertungs-Tagung der Beteiligungsformen zur Kommunal- und Verwaltungsreform in Rheinland-Pfalz eingeladen. Vor zwei Jahren hatte das nexus Institut im Auftrag der Landesregierung Planungszellen in Vallendar, Pirmasens und Prüm durchgeführt.  Ergebnisse der Auswertungstagung sind bisher nicht publiziert.

* Pressemitteilung Rheinland-Pfalz